Video Bewertung von textilen Hanffasern
Sie finden hier eine ausführliche Beschreibung des Weges vom Hanf(Versuchs)Feld) zu der Ertragsstruktur von Samen-, Kombinations- und Textilhanf.
Sie finden hier eine ausführliche Beschreibung des Weges vom Hanf(Versuchs)Feld) zu der Ertragsstruktur von Samen-, Kombinations- und Textilhanf.
Genau genommen ist das Verfahren der biologischen Degummierung von diversen Bastfasern wie Flachs, Hanf, Fasernessel und Ramie genau so alt wie deren Nutzung durch den Menschen. Auch vor etlichen tausend Jahren war es ohne die mehr oder weniger kontrollierte Abtrennung von faserbegleitenden Klebstoffen durch ubiquitäre Mikroorganismen, meist Bakterien oder Pilze, überhaupt nicht möglich, verspinnbare Fasern zu erhalten.
Flachs
Besonders beim Flachs wurde dieses im wahrsten Wortsinn „natürliche“ Verfahren sehr weit entwickelt. Dennoch ist sein Gegenstand, die mikrobielle Abspaltung von hochmolekularen organischen Säuren und deren Salzen von den Zellulosefasern der Bastfaserpflanzen und damit die Loslösung der Fasern aus dem mechanischen Verstärkungsverbund der Einzelpflanze, der Gleiche geblieben.
Die sogenannte Tauröste nutzt die zu Milliarden auf jedem Quadratmeter Ackerfläche vorhandenen Saprobionten (d.h. von toter organischer Substanz lebender Kleinstorganismen) zum Abbau der Faserbegleitstoffe bereits im Verlauf der Ernte und führt so einen Gutteil der von den Flachspflanzen aufgenommenen Nährstoffe unmittelbar in den Ackerboden zurück aus dem sie stammen. Der Nährstoffexport von der Anbaufläche wird entsprechend minimiert. Nachteilig bei dem Verfahren ist dessen hohe Witterungsabhängigkeit, die immer wieder zu Missernten führt. Bei den Saprobionten der Tauröste handelt es sich überwiegend um Pilze, die im feucht-warmen Milieu besonders schnell arbeiten und nur durch eine vollständige Trocknung des Flachsstrohs zur Einstellung ihrer Zersetzungsarbeit gezwungen werden können.
Wenn jedoch der Regen nicht enden will und so die dringend notwendigen Trocknungs- bzw. Feldarbeitstage nicht zur Verfügung stehen, überröstet der Flachs und kann im Extremfall dermaßen an textiler Qualität verlieren, dass er eine Bergung und Weiterverarbeitung nicht mehr lohnt.
Etwas anders liegen die Verhältnisse bei der Wasserröste. Dieses Aufschlussverfahren war bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts das Standardverfahren zur Erzeugung von hochqualitativen Flachsfasern. In dem belgischen Fluss Leie (franz.: Lys) wurde über viele Jahrhunderte hinweg gebündeltes Flachsstroh biologisch aufgeschlossen. Ebenso legendär wie die Flachsqualität war die Farbe des Flusswassers: Goldgelb, was der Leie den Beinamen „Der goldene Fluss“ eingebracht hat.
Im Unterschied zur Tauröste erfolgte dort die traditionelle Wasserröste an auf dem Feld lediglich getrocknetem Flachsstroh, welches, unter Dach zwischengelagert, chargenweise entkapselt, gebündelt und in Kästen in den Fluss eingesetzt wurde.
Bei dieser Vorgehensweise exportierte man zwar eine Menge Nährstoffe von den Feldern in den Fluss bzw. die Nordsee, gewann jedoch mit den in den Kapseln befindlichen Leinsamen eine beträchtliche Menge bester Nahrung und Saatgut.
Die industrielle Wasserröste wird heute hauptsächlich in Ägypten betrieben. Dies nicht etwa, weil man dort deren Verfahrensvorteile voll ausschöpfen würde, sondern eher, weil unter den dortigen Niederschlagsverhältnissen eine homogene Tauröste nicht durchführbar ist.
Auch findet die dortige Wasserröste nicht mehr in Flüssen oder Gräben statt, sondern ist in große Betonbassins verlegt, in denen in Röstwasser und am pflanzlichen Gewebe etablierte Saprobionten, überwiegend Bakterien, den Aufschluss durchführen. Dieser dauert je nach Jahreszeit bis zu 12 Tage und endet damit, dass durch Ablassen des Wassers die biologische Degummierung abgebrochen wird. Neben den Röstbassins befinden sich große Freiflächen, auf denen der Flachs unmittelbar nach der Entnahme aus den Röstbassins sonnengetrocknet werden kann.
Die oft überalterten Anlagen genügen hiesigen Vorstellungen von Prozesssteuerung, Nachhaltigkeit und Umweltschutz zwar nicht, stellen aber ein risikoarmes Aufschlussverfahren dar. Erkauft wird die dortige Wasserröste mit einem hohen Handarbeitsaufwand und nicht unbeträchtlichen Emissionen.
Investitionen in eine optimierte Steuerung des Wasserröstprozesses, dessen Mechanisierung und eine Brauchwasseraufbereitung bzw. einen geschlossenen Wasser- und Nährstoffkreislauf können die dortigen Akteure derzeit nicht leisten. Dies ist umso bedauerlicher, als die biologische Degummierung von Flachs in Form der Wasserröste unter den ägyptischen Witterungsbedingungen ein weitaus größeres Optimierungspotenzial bietet als dies in Westeuropa bei der technisch sehr ausgereiften Tauröste der Fall ist.
Hanf
Die biologische Degummierung von Hanf mittels der Tauröste, einerlei ob als Stängel in Parallellage analog Flachs oder ob als vorzerkleinertes Materialgemisch aus mehr oder weniger zerkleinerten Stängelteilen bzw. freiliegenden Fasern, ist wegen dem natürlichen Aufbau des Hanfstängels nur in Ausnahmefällen homogen umsetzbar. Im Ergebnis bedeutet dies, dass praktisch keine Hanffasern aus Tauröste für mittel- und hochwertige textile Zwecke zur Verfügung stehen.
Die traditionelle Wasserröste von Hanf, wie sie vereinzelt beispielsweise noch in Ungarn durchgeführt wird, krankt an suboptimalem Ausgangsmaterial und überalterter Aufschluss- bzw. Verarbeitungstechnologie. Die so gewonnenen Hanffasern sind zu mittleren oder gar feinen Hanfgarnen leider nicht ausspinnbar.
Aus China sind eine Vielzahl von Patenten bekannt, die sich, teils von zweifelhafter erfinderischer Höhe, mit der biologischen oder biochemischen Degummierung von Hanf befassen. Ob und inwieweit diese Patente in Hinblick auf die rein biologische Degummierung auch in dortigen Industrieanlagen genutzt werden lässt sich von dieser Stelle aus nicht beurteilen. Fest steht lediglich, dass die feinsten derzeit am Markt erhältlichen Hanfgarne aus China stammen.
Textiltechnologisch überzeugende Ergebnisse bezüglich Langhanf hinsichtlich der Wasserröste in Europa liefern lediglich Kleinanlagen, deren großtechnischer Umsetzung ein hoher Konstruktionsaufwand, ein beträchtlicher Investitionsbedarf sowie die Notwendigkeit der Integration aufwändiger Wiederaufbereitungsanlagen der Abwässer entgegensteht.
Europäische Fasernessel und Ramie
Beide Nesselarten, die europäische Große Brennnessel und die Ramie lassen sich zwar grundsätzlich ebenfalls mittels der Tauröste degummieren, jedoch sind die durch eine anschließende mechanische Entholzung gewonnenen Fasern von unzureichender textiler Qualität. Hervorragende Qualitäten an Ramie- und Nessel fasern sind hingegen gewinnen, wenn eine Entholzung bzw. Entfernung der Kutikula im erntefrischen Zustand (Ramie) erfolgt oder der (innere) Holzteil des Stängels die Abtrennung der Faser unbeschadet, d.h. als Ganzes, übersteht.
Zu den schon im vorherigen Absatz genannten Hindernissen einer großtechnischen Umsetzung der Erfahrungen aus hiesigen Versuchsanlagen treten im Fall der Ramie noch interkulturelle und wirtschaftspsychologische Hindernisse hinzu. So sind beispielsweise in China häufig wissenschaftlich-technisches Know-How und ökonomische Entscheidungskompetenz entkoppelt, so dass Investitionsbefürwortungen von Ingenieuren gegenüber der Unternehmensführung zu erheblichen Karriererisiken führen können. Hinzu kommt, dass schnell verdientem Geld meist der Vorzug von nur langfristig rentablen, gleichwohl nachhaltigen und ökologisch vorzüglichen Investitionen gegeben wird.
Derzeit häufen sich die Meldungen, dass vor allem in China im industriellen Hanf und Ramie Maßstab auch biologisch degummiert würden. Geht man diesen Nachrichten auf den Grund, stehen dahinter jedoch stets Verfahren, bei denen nicht lebende Organismen, sondern biotechnologisch erzeugte Enzyme bzw. Enzymmischungen unter -mit Temperatur und Prozesschemikalien – exakt eingestellten Bedingungen einige Stunden auf die Bastfasern einwirken. Dies jedoch ist kein biologischer Prozess, sondern allenfalls ein biochemisches Verfahren.
Auch ist der Neuigkeitswert eher begrenzt, versucht man in Europa doch seit mehr als 30 Jahren mit derartigen Enzymen die Tauröste von Flachs zu umgehen und aus unaufgeschlossenem, lediglich getrocknetem und mechanisch entholztem Flachs fein ausspinnbare Qualitätsfasern zu produzieren.
Interessanterweise haben sich jedenfalls in der Flachsfaserproduktion enzymatische Verfahren nicht durchsetzen können. Dies vor allem aus drei Gründen: Zunächst sind Enzyme in den erforderlichen Mengen nicht gerade billig, daneben setzen solche Verfahren einen beträchtlichem apparativen Aufwand voraus und schließlich reichen die enzymatisch behandelten Fasern in Feinheit und/oder Festigkeit nur in Ausnahmefällen an biologisch degummierten Flachs heran.
Ob man in China nun das Preis/Leistungsverhältnis der Enzyme durchschlagend verbessert hat, Zugriff auf günstigere Maschinen hat oder auf derart hochwertige Hanf- oder Ramierohstoffe zurückgreifen kann, dass es auf die letzten 10% Faserqualität nicht mehr ankommt, mag noch einige Zeit ein Geheimnis des Reichs der Mitte bleiben.
Bereits heute kann jedoch festgestellt werden, dass eine Behandlung mit künstlich zugeführten Enzymen kein biologischer, sondern ein biochemischer Prozess ist; insoweit ist Wert darauf zu legen, dass ein solcher Prozess nicht begrifflich grün gewaschen wird und zukünftig als das bezeichnet wird was es tatsächlich ist: eine biochemische Degummierung.
Ein Glück, dass die filmische Perle Der Flachs und seine Veredelung im Jahr 1918 durch die Zensur gekommen ist. Ein weiteres Glück, dass der damalige militaristische Zeitgeist durch einen einmaligen Auftritt eines Soldaten mit Karabiner und Besserwissercharakteristik abgehandelt ist. Ein drittes Glück, dass bis auf die großzügig interpretierte künstlerische Freiheit bei der Entleerung des Wasserröstbassins (es wurden offenbar ohne zwischenzeitliche Röste die soeben in das Röstbecken eingelegten Flachsbündel vom trockenen Beckenboden wieder aufgeladen) die Macher sich viel Mühe gegeben haben, den seinerzeitigen Stand der Technik korrekt wiederzugeben. Auch wenn nicht jeder Betrachter die inhaltliche Geschlossenheit und gemächliche Erzählweise bzw. den seniorengerechten Filmschnitt zu schätzen wissen wird, so gibt der Film doch die harte Arbeitswirklichkeit von Frauen und Männern vor fast 100 Jahren authentisch wieder. Zudem ist der Film ein Muss für jeden herzgesunden Sicherheitsbeauftragten im textilverarbeitenden Gewerbe. Vielleicht scheint es nicht nur jenen ein Wunder, dass die Hand beim Flachsschwingen mit der vlämischen Mühle noch alle 5 Finger aufweist.
Ganz anders wurde der be linen movie konzipiert. Mehr Emotion, kurze und knappe Information. Ich habe nur eine englisch untertitelte Version gefunden, der Inhalt ist ohnehin weitgehend selbsterklärend. Der französische Originaltext lässt jedenfalls einen wesentlichen Unterschied zu dem deutschen (Stumm)film überaus deutlich werden: Er ist eine Liebeserklärung an den Flachs, während der Stummfilm eher die harte Arbeit an und das zähe Ringen um den Flachs transportiert – im Prinzip vergleichbar und doch so verschieden.
Baumwolle wird nahezu ausschließlich im „Baumwollgürtel“, einem breiten Streifen längs des Äquators angebaut. Mit einem weltweiten Jahresaufkommen in der Größenordnung von 26 Mio bis 28 Mio Tonnen Rohbaumwolle stellt sie die weitaus wichtigste Naturfaser dar. Aufgrund der teilweise aberwitzigen Anbauintensität entfallen auf den rund zweiprozentigen Anteil der Baumwolle an der weltweiten Ackerfläche – je nach Quelle – 11 % bis 15% des weltweiten Pestizideinsatzes. Der großflächige Einsatz von genmanipulierten Baumwollsorten konnte daran nicht viel ändern, da die anvisierten Schädlinge häufig Resistenzen entwickelten und zudem bislang unbedeutende Schadorganismen mit exponentieller Zunahme auf die gentechnisch bedingte Reduktion ihrer Konkurrenz reagierten. Das Aufkommen an „echter“ Biobaumwolle ist begrenzt, es krebst im Bereich von 1% am Gesamtaufkommen herum.
Mindestens so sonderbar wie die Produktionsumstände (neben dem gewaltigen Pestizideinsatz sei noch an den immensen Wasserverbrauch im Bereich von 10.0000 Litern bis 20.000 Litern je Kilogramm (!) Baumwolle erinnert) ist die einzelstaatliche Subventionspolitik:
Der aktuelle Baumwollpreis liegt bei etwa 1,40 €/kg Rohbaumwolle, zur letzten Preisspitze 2011 lag der Baumwollpreis bei etwas über 3 €/kg. Zwei der großen Anbauländer seien nun heraus gegriffen. Die chinesische Baumwollernte von etwa 7 Mio Tonnen wurde vom Staat mit rund 1 Mrd Euro subventioniert, was einer Förderung von etwa 0,15 €/kg Rohbaumwolle entspricht und damit hinsichtlich dem Subventionsniveau von etwa 10% des Marktpreises durchaus auf der Linie der EU liegt. Die US-amerikanische Baumwollernte von etwa 3 Mio Tonnen hingegen wurde mit rund 3 Milliarden Euro subventioniert, was etwa 1 € /kg und damit 71% des Marktpreises entspricht. Da könnte man schon auf den Gedanken einer Marktverzerrung kommen, zumal den afrikanischen Baumwollanbauländern nicht nur ohnehin die Mittel für eine solch aggressive Wirtschaftspolitik fehlen sondern darüber hinaus die Weltbank, bei denen sie regelmäßig in der Kreide stehen, diese Form der Wirtschaftsförderung grundsätzlich untersagt.Aber was bedeutet diese schreiende Ungerechtigkeit schon in Zeiten, in denen ein einziger Präsidenten-Tweet die Arbeit von zehntausenden Wissenschaftlern, hochrangiger Politiker und Millionen engagierter Menschen ins Abseits zu stellen vermag.So ist es auch kein Wunder, dass neben den technologisch bedingten Mehrkosten von baumwollähnlich hergerichteten Ramie-, Flachs- und Hanffasern deren indirekte ökologische Leistungen wie geringer oder kein Pestizideinsatz bzw. Bruchteil des agrarischen Wasserverbrauchs von Baumwolle ignoriert werden frei nach dem Motto: Gewinne kapitalisieren – ökologische Folgekosten sozialisieren
Nachdem bereits im Anbaujahr 2016 ein Zuwachs von etwa 10000 ha auf 107000 Hektar im Vergleich zu 2015 zu verzeichnen war, wird es in diesem Jahr erneut einen beträchlichen Flächenzuwachs in Größenordnung von etwa 12000 ha im westeuropäischen Flachsanbau geben.
Dies ist der ungewöhnlich starken, seit Jahren kontinuierlich steigenden Nachfrage nach Langflachs geschuldet. Selbst die hinsichtlich Langfaserqualität und -menge allenfalls durchschnittliche Ernte 2016 findet zu Preisen von 1900 € bis 2400 €/t raschen Absatz. Selbst die aufgrund der teilweise in der Blüte von Regen und Wind niedergedrückten Flachsflächen mit minderen Langfaserqualitäten – man spricht hier von bis zu 30% der Gesamternte -finden zu Preisen zwischen 1300 € bis 1900 €/ha ihre Abnehmer.
Mit rund 140 000 Tonnen Langflachs und 60 000 Tonnen gereinigtem Schwungwerg, mithin einem Faserertrag von rund 2000 kg/ha stellt Flachs die bei weitem ertragsstärkste (textile) Faserpflanze in Europa dar. Stellt man sich die Verteilung der Fasererträge je Flächeneinheit wie eine Glockenkurve vor wird deutlich, dass es zu missglückten Einzelflächen mit einem Ertrag von lediglich 1000 kg/ha Gesamtfaser in 2016 auch solche gegeben hat, die in der landwirtschaftlichen Praxis an 3000 kg/ha Gesamtfaser heran gereicht haben. Ob jedoch für den vermeintlich glücklichen Fall, dass die erweiterte Flachsanbaufläche 2017 der Branche einen Gesamtfaserertrag von 2500 kg/ha Gesamtfaser beschert die Nachfrage ausreicht um das hohe Preisniveau zu halten darf angezweifelt werden, ist doch im Flachs nichts so sicher wie der Wechsel.
Vor etwa 15 Jahren sind die ersten Winterflachssorten auf den Markt gekommen. In klimatisch günstigen Gebieten wie der französischen Kanalküste werden diese Fasertypen etwa im gleichen Zeitraum wie Winterweizen gesät, um noch im Herbst aufzulaufen und in einer Pflanzenhöhe von 8-12 cm in die Vegetationsruhe zu gehen. In dieser erträgt Winterflachs Kahlfröste bis etwa -10°C, verabscheut jedoch längere Schneebedeckung, welche oft mit dem Auftreten von massiven Pilzproblemen verbunden ist. Wird der (milde) Winter gut überstanden, kann der Winterflachs seine Vorzüge wie den viel früheren Wachsstumsstart und die bessere Ausnutzung von den Winterniederschlägen voll ausspielen. Er kommt etwa zwei bis drei Wochen vor den sommeranuellen Sorten zur Blüte (Bild: Vollblüte Winterflachs 13. Mai, daneben Sommerflachs) und zur Reife, was bei Kombination von Flachswinterung und Flachssommerung zu einer beträchtlichen Erweiterung des Erntefensters führt und damit bei gleichem Erntemaschinenbesatz die Wahrscheinlichkeit der Erzeugung von Qualitätsfaser deutlich erhöht. Allerdings eilt der Fasergehalt von Winterflachssorten demjenigen von sommeranuellen Flachs noch nach. Während die aktuellen Winterflachssorten in der Praxis eher zwischen 27 und 33 % Gesamtfasergehalt liegen, erreichen die besten Sommerflachssorten Fasergehalte in Größenordnung von 32 % bis knapp 40%, was bei einem guten Strohertrag von 8000 kg am Hektar einem Gesamtfaserertrag von mehr als 3 t /ha entspricht.
Einen grundsätzlich anderen Ansatz verfolgen die Befürworter von Winterhanf. Dieser soll möglichst früh nach Räumung der (Gemüse-oder Getreide)Vorfrucht als eine Art Zwischenfrucht gesät werden. Anders als beim Flachs wird erst gar nicht erwartet, dass der Winterhanf eben diesen Winter auch übersteht. Vielmehr erhofft man sich neben einem (noch nachzuweisenden) Rückhalteeffekt von Verlagerungs gefährdeten Nährstoffen auch besonders feine Hanffasern sowie eine Art Standröste der abgefrorenen Hanfstängel. Über den pflanzenbaulichen Kontext wie der eingeschränkten Trockensubstanzbildung von Zwischenfrüchten oder der Temperaturabhängigkeit des Längenwachstums von Hanf soll an dieser Stelle nicht weiter spekuliert werden. Eigene Erfahrungen mit der Feldröste von Flachs unter winterlichen Bedingungen zeigen jedoch, dass offenbar andere Pilze aktiv sind als dies bei der spätsommerlichen Tauröste der Fall ist. Trotz engmaschiger Beobachtung war nicht zu verhindern, dass entweder kein nennenswerter Rösteffekt oder eine Überröstung mit Aufspaltung der technischen Faserbündel in Elementarfasern extrem reduzierter spezifischer Zugfestigkeit als Ergebnis konstatiert werden mussten.
Vor diesem Hintergrund läge eine Fruchtfolge Winterhanf vor Sommerhanf in zuverlässig frostfreien Klimata bzw.Standorten mit auch im Winter hohen Temperatursummen sowie mit ausreichenden Herbst- und Frühsommerniederschlägen bzw. Beregnungsmöglichkeit näher als ein Zwischenfruchtanbau hierzulande.
http://www.nachwachsende-rohstoffe.biz/allgemein/feldversuch-„winterhanf“/
http://nfa-naturfaser.de/NFA_Aktionaersbrief_2017-02.pdf
Ramie (Boehmeria nivea) ist eine Pflanze aus der Familie der Nesselgewächse und eng mit unserer großen Brennnessel (Urtica dioica), von der faserreiche Sorten als Fasernesseln bezeichnet werden, verwandt. Im Unterschied zu dieser weist Ramie allerdings keine Brennhaare auf und ist daher ein eher umgänglicher Zeitgenosse, der, einmal gepflanzt, als Dauerkultur bis zu 20 Jahre Erträge bringt.
Die Hauptanbaugebiete von Ramie liegen in den subtropischen Teilen von China, auf den Philippinen, in Brasilien und einigen südostasiatischen Ländern sowie in Indien. In Japan und Korea wird ebenfalls Ramie angebaut, dies jedoch eher aus einer langen Tradition heraus als im industriellen Maßstab. China nimmt bei weitem die wichtigste Stellung unter den Erzeugerländern von Ramie ein.
Vor etwa 120 Jahren, in einer relativ kurzen Zeitspanne mit vergleichsweise warmen Wintern, wurde Ramie auch in Deutschland angebaut und verarbeitet. Besonders in der Oberrheinebene fanden sich günstige Bedingungen hinsichtlich Boden und Klima. Zwar wurden seinerzeit viele Fragen von Anbau, Ernte und Aufbereitung bearbeitet und teilweise auch gelöst, jedoch verdarb der hohe Anteil an Handarbeit und die kostenträchtige Abtrennung unerwünschter Faserbegleitstoffe die Ökonomie des hiesigen Ramieanbaues, so dass die Ramiefelder nach wenigen Jahrzehnten wieder verschwanden.
Unsere Erfahrungen mit dem, zugegeben kleinflächigen, Anbau und der labormäßigen Verarbeitung von Ramie stammen aus dem Rohstoffgarten der Flachswerkstatt auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Holstein Flachs, wo wir von 2003 bis 2013 erste Erfahrungen mit Ramie – dies in direktem Vergleich mit Faserlein und Nutzhanf – sammeln konnten.
Ab 2012 wächst Ramie neben in bzw. neben unserem Gewächshaus in Nettelsee/Kreis Preetz sowie in Kiedrich im Rheingau.
Standardmäßig decken wir über Winter die Ramiepflanzen ab, da ein tief in den Boden einziehender Frost die unterirdischen Pflanzenteile jedenfalls schwächt oder gar abtötet. Dazu haben wir mit zufriedenstellenden Ergebnissen Flachsscheben, Tannenreisig oder Abdeckvliese verwendet.
Es ist nicht zu erwarten, dass in Mitteleuropa ähnlich viele (Teil)Ernten wie in China erzielt werden können. Während in Zentralchina 4 Schnitte im Jahr üblich sind, kamen wir über zwei Schnitte im Jahr nicht wirklich hinaus. Während dort der erste Schnitt bereits im März erfolgen kann, beginnt hier im besten Fall dann gerade einmal die Vegetationszeit.
Erhebliche Unterschiede zwischen den hiesigen und fernöstlichen Standorten bestehen auch in Niederschlagsverteilung und den täglichen Sonnenstunden. Dies macht es in trockenen Sommern -wie in den beiden letzten Jahren- einerseits erforderlich, die Ramie zu bewässern, andererseits ist die Ramie auch nicht optimal an die hohe und lange (Ende Mai bis Ende Juli ) Sonneneinstrahlung angepasst. Letzterem sind wir durch den Anbau von Ramie im Mittag und Abendschatten von Nutzhanf und Miscanthus bzw. neben von Osten nach Westen verlaufenden Mauern entgegen getreten.
Dennoch sind die ersten Ergebnisse unserer Versuche mit großer Vorsicht zu bewerten.
Über die Jahre haben wir in der Summe aller Teilernten relativ stabile Trockenmasseerträge im Bereich von 1,4 bis über 2 kg/m2 gefunden. Die Trockenmasseerträge der Blätter und der Sprossspitze betrugen dabei etwa 0,25 bis 0,4 kg/m2, die des Holzkerns etwa 0,65 bis 1,05 kg. An degummierter (spinnfähiger) Ramiefaser entspricht dies etwa 0,08 bis 0,18 kg/m2.
Diese Erträge liegen (umgerechnet 800 kg/ha bis 1800 kg/ha) etwas unter jenen von Faserlein (900 kg/ha bis 2600 kg/ha), jedoch darf dabei nicht verkannt werden, dass die Ramiefaser wesentlich feiner als die Flachsfaser ist. Dies gilt sowohl für die technischen Flachsfaserbündel im Langflachs und Werg als auch für die Elementarfaser, d.h. eine einzelne Faserzelle: Während die Elementarfaser von Flachs 60mm Länge kaum überschreitet, finden sich in Ramie Faserzellen von 100 bis 200 mm Länge.
Entsprechend ist Ramie auch diejenige Bastfaserpflanze, aus der die feinsten Garne (Nm 60 bis Nm 80) hergestellt werden können, während beim Flachs bzw. Leinen Garnfeinheiten oberhalb Nm 40 nur sehr selten am Markt sind.
Flächenerträge und Feinheiten machen die Ramie zwar zu einem potenziellen Substitut für Baumwolle, jedoch fehlt es selbst in den Hauptanbauländern an effektiver Ernte- und Aufschlusstechnologie und dem Bewusstsein, dass eine Vorfinanzierung von Forschung und Entwicklung zu Ramie unter dem Strich wesentlich günstiger kommt als die (Nach)Finanzierung der Umweltschäden durch exzessiven Baumwollanbau. Oder anders gesagt: Verluste durch Umweltschäden in Baumwollanbau werden sozialisiert, Gewinne werden kapitalisiert.
Für weitergehend Interessierte wird der Flachsshop bald einen Anschauungsset „Ramie S“ in das Sortiment nehmen. Daneben sind ab März wieder lebende Ramiepflanzen für Ihren Garten oder Ihr Gewächshaus erhältlich.
Der noch im März bejubelte allgemein frühe Aussaattermin hat auch seine Schattenseiten. Insbesondere auf den schwereren Böden in Nordfrankreich, beispielsweise in den Regionen Seine-et-Marne oder Aisne, in den belgischen Küstenregionen oder im Raum Liège sind Teile der Anbauflächen durch unregelmäßigen und lückenhaften Aufwuchs gekennzeichnet.! Die Ursachen dafür werden in der mangelnden Frostgare der dortigen Böden sowie einen zu frühen Bearbeitungstermin bzw. zu nassem Boden zur Saat gesehen.! Die Folge war ein klutiges Saatbett, welches insbesondere unter den zunächst trockenen Bedingungen nach der Einsaat zu einem Auflauf der Flachspflanzen in mehreren Welle geführt hat. Einzelne Flächen mussten gar umgebrochen und erneut gesät werden.! Von diesem Phänomen sind etwa 3000 bis 6000 ha Flachs in unterschiedlicher Schwere betroffen.!
Das Gros der Flächen in den Hauptanbauländern Frankreich, Belgien und Niederlande steht recht gut, auch wenn es lokal deutliche Unterschiede infolge relativ knapper Niederschläge in den Wochen nach der Aussaat gibt.! Nach dem milden Winter stehen die Bereiche, in denen Winterflachs (also im Herbst gesäter Flachs) angebaut wurde sehr gut da, bereits zu Beginn der letzten Maidekade waren die Bestände vollständig abgeblüht und durchweg etwa 1 Meter hoch.!
Die jüngsten Gewitterstürme, die in Nordrhein-Westfalen gewaltige Schäden verursacht haben waren in den Flachsanbaugebieten Nordfrankreichs, Belgien und der Niederlande weitaus weniger ausgeprägt. Es wird von einem Anteil an Lager (niedergedrückte Flachspflanzen) in einer Größenordnung von 10% der Gesamtfläche berichtet, von dem sich ein Gutteil bei dem erwarteten sonnigen und windigen Wetter der nächsten Tage wieder aufrichten sollte. Weiter lesen…