Wenden
Damit das Flachsstroh an allen Stellen des Schwades den Röstprozess gleichmäßig durchläuft, wird der Schwad ein- oder mehrmals gedreht. Dazu benutzt man ein- oder zweischwadig arbeitende, selbstfahrende Wendemaschinen.
Je nach Hersteller sind diese Maschinen drei- oder vierrädrig, gemeinsam ist allen Bauformen, dass die Räder niemals über liegenden Flachs fahren. Flachswender haben ein denkbar einfaches Arbeitsprinzip: sie nehmen den Flachsschwad durch eine Pick-Up-Trommel mit paarweise exzentrisch angebauten Fingern vom Boden auf, führen ihn zwischen Zahnriemen über Gleitstäbe, welche eine 180° Drehung beschreiben über die Maschine hinweg und legen ihn im hinteren Bereich wieder auf den Boden ab. Die Höhenführung der Pick-up wird dabei über ein in der Höhe verstellbares Tastrad gewährleistet. Die Lage der Finger der Pick-Up wird so eingestellt, dass diese möglichst nah über dem Erdboden rotieren, ohne diesen jedoch ständig zu berühren. Verständlich, dass in diesem Zusammenhang größere, auf der Oberfläche aufliegende Steine von Nachteil sind, da diese die Pick-Up beschädigen können. Gezogene Wendemaschinen sind in Osteuropa verbreitet, dort findet man auch Wenden von Hand mit speziell geformten Stangen.
Beim Raufen muß bereits der Platz vorgesehen werden, auf dem die Wender ihren Schwad ablegen. Daher wird auf dem Feld dort mit dem Wenden begonnen, wo die Raufe aufgehört hat. Von dort an wird in umgekehrter Reihenfolge das gesamte Feld bearbeitet. Zuletzt wird das Vorgewende gewendet. In Fahrtrichtung gesehen wird der Flachsschwad von der linken Maschinenhälfte aufgenommen und hinter der rechten Maschinenhälfte abgelegt.
Eine Reihe von Voraussetzungen muß gegeben sein, damit die Wendearbeit effektiv durchgeführt werden kann:
- Die Flachspflanze muß im Schwad parallel liegen; ein schon beim Raufen verwirrter Flachs führt beim Wenden umso leichter zu Funktionsstörungen der Maschine.
- Der Schwad darf nicht zu dünn sein, andernfalls bleibt zwischen Zahnriemen und Gleitstangen zuviel freier Raum mit der Folge, daß sich die Flachsstengel gegeneinander verschieben und die Parallelität des Schwads verloren gehen kann.
- Umgekehrt darf der Schwad nicht zu dick sein, da ansonsten die Pick-Up und die Führungsorgane im Gerät zu häufig verstopfen.
In der Praxis hat es sich gezeigt, daß stark böiger Wind in Verbindung mit frisch gewendetem Flachs zu erheblichen Problemen führen kann: weht er aus der Richtung der Wurzeln, kann er möglicherweise ganze Schwaden ‚umklappen‘, so daß diese auf dem Nachbarschwad zu liegen kommen und mühsam von Hand wieder geordnet werden müssen. Im Extremfall können sehr starke Winde mehrere Schwaden zu meterdicken Walzen aufwickeln. Diese sind dann nicht mehr erntefähig, die Fläche muß aufgegeben werden.
Weiterhin sollte der Schwad nicht naß sein, da in diesem Fall die Stabilität der Stengel zu gering ist und die Enden der Pflanzen abgeknickt werden. Schließlich kann ein massiver Durchwuchs von Unkraut und/oder während der Röstphase gekeimten Leinsamen, besonders in Verbindung mit feuchtem Flachsstroh, zur Verschlechterung der Parallellage im Schwad führen, da die Enden der Pflanzen vom Durchwuchs auf dem Boden zurückgehalten werden. Besonders gegen Ende einer langen Röstphase, wenn das Nachlassen der Keimhemmung zu einem weitgehenden Auskeimen der Samen geführt hat, kann das Wenden durch die dann sehr fest im Boden eingewachsenen „Köpfe“ der Flachspflanzen stark behindert werden. Nicht nur die Arbeitsgeschwindigkeit, sondern vor allem die Arbeitsqualität wird davon in Mitleidenschaft gezogen. Die Schwaden weisen dann häufig einen Verzug der Wurzelenden entgegen der Fahrtrichtung auf. Darüber hinaus neigt der Schwad zu Dickenschwankungen infolge der diskontinuierlichen Aufnahme des Flachsstrohes. Schließlich können ganze Schwade so fest gewachsen sein, daß sie nicht mehr zu wenden sind. Diese wiederum behindern die Arbeiten an den Nachbarschwaden. Im Extremfall muß dann im konventionellen Anbau ein Herbizideinsatz stattfinden, um überhaupt wenden zu können.
Eine etwas neuere Entwicklung auf dem Gebiet der Wendetechnik stellt der Fußausrichter dar. Diese Vorrichtung wird im hinteren Bereich der Wendemaschine installiert und besteht im wesentlichen aus einem breiten angetriebenen Band, welches durch seine schräge Anordnung die Wurzeln der Flachspflanzen im Verlauf ihrer „Schwebephase“ kurz vor der Wiederablage auf dem Feld auf ein einheitliches Niveau reguliert. Dadurch wird nicht nur der durch das Raufen entstandene Verzug ausgeglichen, sondern es wird auch eventuellen Fahrfehlern vorhergehender Erntemaßnahmen entgegen gewirkt. Ein solchermaßen egalisierter Schwad läuft besser durch die Schwinge und lässt eine erhöhte Langfaserausbeute erwarten.