Flachsernte im Rohstoffgarten – der erste Saattermin ist eingebracht

Zum Tanz in den Mai lugten die Keimlinge der Flachspflanzen nur wenige Zentimeter aus der Erde, ab dem 20. Juli wäre die Ernte dem Entwicklungsstand der Pflanzen nach möglich gewesen, schließlich haben wir uns jedoch entschieden erst sehr spät – d.h. am 9. August – zu raufen, da wir den Wunsch unserer Kunden nach voll ausgebildeten Samenkapseln antizipiert haben. Für unsere Versuche zu Fragen von Röstverfahren haben tatsächlich bereits ab Mitte Juli kleine Teilernten durchgeführt, da auch die Beurteilung von Faserqualitäten Gegenstand dieser Untersuchungen ist.
Das Handraufen – also das Herausreißen der Flachspflanzen mitsamt Teilen der Wurzeln aus dem Boden – gestaltete sich insoweit schwierig, als die durchgeführte Unkrautbekämpfung von Hand deutlich weniger wirksam als eine Herbizidbehandlung ist und so reichlich Vogelwicke und Windender Knöterich eine aufwendige Sortierung von jeder Handvoll Erntegut notwendig machte. Deshalb wurde mit nur einer Hand gerauft, um mit der anderen Hand das Bündel sofort von Unkraut zu befreien.

Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen: wegen der vielen Unkräuter wurde nur einhändig gerauft.

buendel_gruenflachs_erde

Trotz der trockenen Witterung in der Woche vor dem Raufen haftete an den Wurzeln einiges an Erde. Dies hatte seine Ursache offenbar in der sehr guten Bodengare, die nicht zuletzt der Vorfrucht Kartoffeln geschuldet war. Diese Erde konnte jedoch sehr leicht abgeklopft werden und hinterließ an den Pflanzen mehr Wurzelanteile, als dies beim großtechnischen Maschinenraufen üblich ist.

Das Ergebnis jedoch kann sich sehen lassen: sehr schöne Bündel Grünflachs (ja, obwohl offensichtlich von gelber Farbe wird getrocknetes Flachsstroh als „Grünflachs“ bezeichnet und bildet mit „Röstflachs“, also aufgeschlossenem, geröstetem Flachsstroh, ein Begriffspaar)

An den weitaus überwiegend braunen Samenkapseln ist zu erkennen, dass der Erntezeitpunkt relativ spät gewählt wurde.

Als deutlich weniger erfreulich stellen sich die Verhältnisse bei dem extremen Spätsaatversuch vom 3. Juni dar: Zum Monatwechsel Juli/August stand der Versuch in Blüte, was immerhin einer extrem verkürzten Entwicklungsdauer von weniger als 60 Tagen von Aussaat bis Blüte entspricht.

Zu diesem Zeitpunkt noch gut anzuschauen – Spätsaatversuch zwischen Blühbeginn und Vollblüte.

Auch war der Unkrautfdruck aufgrund des späten Saattermins viel geringer als im geernteten Feld, für die Frühjahrskeimer war es zu spät, lediglich einige sommerkeimende Gräser konnten sich etablieren. Allerdings hat inzwischen der Echte Mehltau als ausgemachter „Schönwetterpilz“ den Bestand fest im Griff. Da wir im Rohstoffgarten auf synthetische Fungizide verzichten (und mir der Tipp mit einer Milch-/Wassermischung 1:8 jeden 2. Tag zu spritzen erst soeben bekannt wurde) wird wohl der Natur freien Lauf gelassen werden müssen.

Der zunächst weißlich-gelbliche Belag des Echten Mehltau auf der Oberseite der Blätter reduziert die Menge der gebildeten Assimilate, verzögert so Wachstum und Abreife und führt zu deutlichen Mindererträgen.

Erwähnenswert ist vielleicht noch der Umstand, dass unter den extremen Spätsaatbedingungen offenbar alle Samen aufgelaufen bzw. gierigen Interessenten aus der Vogel- und Insektenwelt entgangen sind. In der Folge ist der Bestand doch sehr dicht geworden, stellenweise kann man mehr als 2300 Pflanzen je Quadratmeter finden. An einigen Stellen konnte der Boden diese Masse nicht vollständig ernähren, so dass – anders als bei Spätsaat üblich – dort die Pflanzenhöhe mit 75 cm bis 80 cm unbefriedigend blieb.