Tauröste
Mit dem Raufen und damit der parallelen Ablage der aus der Erde gezogenen Flachspflanzen in einen Schwad beginnt die Tauröste.

Raufen in der Grüngelbreife
Sie ist notwendig, um den „Klebstoff“ Pektin, der in der Flachspflanze die zugstabilen Fasern mit dem druckstabilen Holzteil verbindet, aufzulösen.
Maschinell können Flachsfasern nur dann ohne großen Qualitätsverlust gewonnen werden, wenn sie zuvor mit der Tauröste oder einem anderen vorbereitenden Aufschlussverfahren wie Wasserröste, chemischer oder enzymatischer Röste freigelegt wurden.
Bei der Tauröste machen vor allem Pilze, aber auch Bakterien genau die Arbeit, mit der auch alle anderen pflanzlichen Materialien wie abgestorbene Blätter oder Wurzeln in den Kreislauf des Lebens wieder eingespeist werden: Organisches Material wird angegriffen und in immer kleinere Einheiten zerlegt bis schließlich nur noch Humus und Nährstoffe übrig bleiben, aus denen künftige Generationen von Pflanzen sich wieder bedienen. Dies geschieht nicht uneigennützig – vielmehr nutzt jeder dieser Recyclingspezialisten bestimmte Bestandteile des organischen Materials als Nahrungsgrundlage und verfügt dazu über Mechanismen, um an seinen Anteil am Kuchen heran zu kommen.

Pilzrasen auf einem Flachsstengel
Pilze und Bakterien sondern beispielsweise bestimmte Enzyme ab, verdauen so ihre Nahrung außerhalb ihres Körpers und nehmen nur diejenigen Zersetzungsprodukte auf, die ihr Stoffwechsel gebrauchen kann. Räumlich konzentriert laufen derartige Prozesse in jedem Komposthaufen ab. Im Unterschied zu dem ungerichteten „normalen“ Zersetzungsprozess in der Biotonne, auf dem Feld und im Wald darf die Tauröste (röten = niederdeutsch: faulen) nur so weit gehen, dass sich die für den Menschen interessanten Flachsfasern von den anderen Pflanzenteilen leicht trennen lassen, ohne jedoch selbst schon angegriffen zu werden. Deshalb wird der im Schwad liegende Flachs mehrfach gewendet ; dies ist die einzige Möglichkeit einer Steuerung der Tauröste. Der natürliche Fäulnisprozess wird dabei durch Drehen des Flachsschwades vergleichmäßigt und schließlich bei Erreichen der „Röstreife“ durch Trocknen und Bergen, dem sogenannten „Pressen“, abgebrochen.
Bei der Tauröste sind mehrere Phasen unterscheidbar:
Trockenphase
Ausspül- und Besiedlungsphase
Horizontale Entwicklung Pilzbesiedung

Beginn Röste
Es folgt der obere Teil der Stängel, erst deutlich später wird auch das untere Viertel des Flachsstrohs besiedelt. Das Ende macht der unmittelbar über dem Erdboden angeordnete Übergangsbereich zwischen oberirdischem Stängel und Wurzel: Dort ist die Pflanze mit etwa 80 Tagen mehr als doppelt so alt wie an der Spitze und entsprechend ist die schützende Wachsauflage der Cuticula sowie das Abschlussgewebe dort am dicksten. Deshalb wird an der Oberfläche des Schwades der widerstandsfähigste Pflanzenteil zuletzt besiedelt.
Vertikale Entwicklung Pilzbesiedlung

Nebel Tauröste
Da der im Bereich der unteren Pflanzenhälfte dickere Schwad wenigstens bei kürzeren Trockenphasen feucht bleibt, während die obere Hälfte des Schwades zu trocken für pilzliche Aktivitäten ist, homogenisiert sich die vertikalen Röste durch den Schwad hindurch wider Erwarten.
Röstreife

Ideale Röste
Nun ist es an der Zeit den Röstflachs zu bergen („Pressen“).
Überröste
Am schnellsten verläuft die Tauröste in einem durchwachsenen Sommer: Trocken- und Feuchtphasen wechseln sich im Idealfall jeweils etwa nach 7 bis 10 Tagen ab. Dann besteht ein Gleichgewicht zwischen nur bei trockenen Bedingungen möglichen Feldarbeiten wie Wenden und Bergen und nur bei feuchten Bedingungen fortschreitender Tauröste. Lang anhaltendes trockenes und heißes Wetter führt zu einem Stocken des Aufschlussprozesses, Wendearbeiten beispielsweise werden dann sinnlos. Kontinuierlich feuchtes und warmes Wetter führt zu einem beschleunigten Röstprozess, dann sind notwendige Wendearbeiten unmöglich.
Ein positiver Nebeneffekt der Tauröste besteht darin, dass in deren Verlauf der Großteil der vom Flachs während des Wachstums aufgenommenen Nährstoffe durch Regen und Tau ausgewaschen und dem Boden fein verteilt wieder zurückgegeben wird. Weniger günstig ist der Umstand, dass vor allem bei einer sehr langen Röstdauer ein Großteil der in den Kapseln enthaltenen Leinsamen auskeimt und verloren geht, so dass dessen Nutzung als Tierfutter oder gar als Saatgut nicht mehr möglich ist.

Samenwachstum
Beide Effekte tragen dazu bei, dass der Nährstoffexport von einem Flachsfeld um ein Vielfaches geringer ist als jener von einem Weizenfeld oder gar von Maissilage. Dies erklärt auch die bekannt gute Vorfruchtwirkung von Flachs.
Definition/Zusammenfassung
Mit dem Raufen und damit der Ablage der aus der Erde gezogenen Flachspflanzen in einem Schwad beginnt die Tauröste; sie ist notwendig, um den „Klebstoff“ Pektin, welcher im Flachsstängel die zugstabilen Fasern mit dem druckstabilen Holzteil verbindet, aufzulösen.